17.04.2024
VIP-Bühne embedded world 2024
Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter von inpotron Schaltnetzteile, diskutiert unter Stromversorgungsspezialisten die Trends der Zukunft.
VME-Bus, CompactPCI oder andere Stromversorgungen?
Mittlerweile sind namhafte Stromversorgungsspezialisten auf der embedded vertreten. Früher gab es noch VME-Bus-Stromversorgung, CompactPCI-Stromversorgungen. Werdet ihr damit noch belästigt? Gibt‘s das noch oder ist dies ein reines Ersatzgeschäft?
„Bei uns ist es nicht so, dass diese Produkte für neue Designs angefragt werden. Das sind ganz andere Herausforderungen. Kompakte Netzteile, die auf die Boards integriert werden oder dazu geschaltet werden, aber so 19“ VME-Bus-Netzteile kaum noch."
Wie wichtig sind diese embedded Einschubstromversorgungen heute noch?
Sind es 10, 20, 30 % vom Markt?
„Aktuell, bei unseren in der Produktion bestehenden Stromversorgungen sind es deutlich unter 10 %. Ich kann mich in den letzten 2 Jahren nicht daran erinnern, dass Neuanfragen reingekommen sind, dass solche 19-Zoll-Racks benötigt worden sind."
Multifunktionale Stromversorgungen sind gefragt
Heute ist es eigentlich ein on-board Geschäft. Wie hat sich das Stromversorgungsgeschäft für embedded über die letzten 10, 20 Jahren verändert. Welche Trends gab es?
„Ein Stück weit hat es auch damit zu tun, wie die Applikation hinterher angewendet wird. Aus unserer Sicht geht’s in immer robustere Applikationen hinein. Sehr weite Eingangsspannungsbereiche sind gefordert. Man möchte eine sog. multifunktionale Stromversorgung, die in allen Netzen funktioniert und das möglichst kompakt, mit einer passiven Kühlung, nahe am Board. Das sind so die Trends, die wir immer mehr feststellen."
Und dies zum Preis von einem Standardprodukt?
„Wenn man jetzt nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, spielt der Preis natürlich auch immer eine Rolle. Aber es ist natürlich auch ein Stück weit so, dass das was gefordert wird, auch seinen Preis hat und sollte auch berücksichtigt werden."
Hohe Anforderungen, inpotrons Spezialgebiete
Was überlässt ihr den Halbleitern-Herstellern? Was ist euer klassisches Stromversorgungsgeschäft?
„Wir decken diese Spezialthemen ab, wenn z.B. eine Redundanz gefordert ist oder wenn eine sehr hohe Packungsdichte, ohne dass ich irgendwelche Luftbewegungen habe, realisierbar sein sollte. Außerdem auch Themen wie extreme Wirkungsgrade. Es gibt auch Anwendungen mit sehr hohen Anforderungen an Störfestigkeit, Störaussendungen, die natürlich auch in unterschiedlichen Applikationen eingesetzt werden sollen. Es sind auch Transportanwendungen, Bahn oder Bus, medizinische Applikationen oder natürlich auch immer dann, wenn es Anforderungen an sehr komplexe Umgebungsbedingungen sind, die die Gehäusestruktur angehen. Wir sagen dazu „Manhattan-Struktur“, weil es manchmal so unterschiedlich verbaut werden muss, dass es gerade so noch reinpasst. Was auch immer öfters vorkommt, sind mobile Applikationen. Hierbei geht es um sehr geringe Standby-Verluste. In diesem Fall darf ein DC/DC Wandler im Standby auch nicht mehr als 10 mW verbrauchen, selbst wenn am Ausgang 80 W zur Verfügung stehen darf."
Was meint ihr, ist die embedded world ein „place-to-be“ für Stromversorgungsspezialisten? Wer nicht hier ist, versäumt was? Bekommt ihr hier die richtigen leads?
„Aus meiner Sicht sind hier unsere Kunden und dann müssen wir uns auch sehen lassen. Deswegen finde ich das schon wichtig hier zu sein. Letztendlich ist das eine gute Möglichkeit, in wenigen Tagen die Kunden und Interessenten hier wieder neu zu vernetzen und zu treffen."
Was treibt die Trends voran?
Wie ist die Situation? Ist die embedded-Welt die Insel der Seligen 2024? Kommen die Aufträge zuverlässig und im gewünschten Umfang im Vergleich zum Rest der Deutschen Wirtschaft? Rechnet ihr mit einem Wachstum für 2024? Was bedeutet embedded für euch als Kundenstamm?
„Insgesamt ist ein Wachstum da, weil die embedded industry letztendlich zum Digitalisierungsmegatrend gehört. Dieser Megatrend lässt sich nicht aufhalten. Wir merken es insbesondere dort, wo Fachkräftemangel ist, da muss mehr automatisiert werden. Dort kommen solche Systeme rein. Jetzt wurde das Problem ja angesprochen: das Investitionshemmnis durch die Zinssituation, die wir letztendlich haben. Die wird sich aber, meiner Meinung nach, ab Mitte des Jahres in etwa wieder auflösen und dann können wir den Bedarfen hinterherrennen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass insbesondere diese Industrie, Daten zu transportieren, ganz vorne am Digitalisierungsprozess ist und den Trend vorantreiben wird. Und wenn sich hier die Veränderung zu höheren Bedarfen ergibt, werden wir das überall merken. Da bin ich felsenfest überzeugt. Es ist keine Insel der Glückseligkeit, würde ich sagen, aber sie ist nicht so stark getroffen wie die Gebäudesystemtechnik oder LED-Versorgung. Letztendlich wird nicht mehr so viel gebaut aufgrund der Zinssituation, aber der Bedarf ist nach wie vor da. Könnte aber noch besser sein."
Die Situation hat sich etwas geändert im Vergleich zu 2022/2023. Man hatte fast den Eindruck es wird nichts mehr verkauft. Wie ist die Situation derzeit? Falls jemand etwas benötigt, bekommt er dies auch innerhalb von 4 Wochen? Ist die Lieferverfügbarkeit auch wieder normal?
„Es hat sich ein Stück weit normalisiert. Das stimmt, dass wir teilweise bei MOSFETS oder ICs mit Lieferzeiten von über 50 Wochen agieren müssen. Aber bestimmte Teilmengen bekommt man auch dort auf einem normalen Lieferweg. Also nicht unbedingt „Broker“. Bei Mengen, die einen gewissen Beschaffungs- und Produktionsprozess hinter sich stehen haben, dauert es üblicherweise seine Zeit. Wie auch bei Neubestellungen: hier wird es schwierig, wenn man glaubt, etwas schneller als in 20 Wochen zu erhalten."
Aktuelle Situation und zuversichtliche Perspektive
Das Thema MOSFET zieht sich durch die letzten 10-15 Jahre. Neben anderen Elektrolytkondensatoren war MOSFET oft das kritische Bauteil. Wir sind durch eine sehr sportliche Zeit gegangen. Jeder hat erklärt, er qualifiziert zusätzliche Lieferanten. Warum ist die Situation immer noch nicht besser? Es müssten doch eigentlich in der Zwischenzeit nicht nur Infineon oder ST oder sonst irgendjemand freigegeben sein, sondern auch andere. Wie kann das sein, dass hier immer noch ein Problem herrscht?
„Wir haben über 600 aktive unterschiedliche Produkte. Da kann man nicht überall eine Second Source qualifizieren, prüfen und letztendlich vom Kunden die Komponenten freigeben lassen. Aber selbstverständlich haben wir aufgrund des vorhandenen Drucks, zusätzliche Hersteller mitqualifiziert, die in neuen Projekten auch ihre Daseinsberechtigung haben. Das wird uns in Zukunft mehr Möglichkeiten bieten. Da bin ich ganz zuversichtlich, dass wir dann auch keine Verfügbarkeitsprobleme für diese neuen Projekte in naher Zukunft mehr haben werden."
Glaubt ihr daran, dass es diese Situation verbessert, wenn diese zusätzlichen 300-Millimeter-FABs wie Toshiba, Infineon, ST oder BOSCH etc. an den Markt gehen? Wird sich die Situation irgendwann entspannen?
„Ich persönlich glaube, dass die FAB-Hersteller für Halbleiter, Leistungshalbleiter immer dem Markt "hinterherhinken". Und dass die größeren Wafer den Bedarf gerade mal abdecken, der dann vielleicht aktuell da ist. Der Bedarf wird weiterhin steigen. Bei der E-Mobilität ist noch ganz viel Nachholbedarf. Diese ganze regenerative Energiegeschichte, Datentransport, die Frage „wieviel Digitalisierung brauchen wir noch?“… Wir benötigen dafür noch unheimlich viel Leistungselektronik. Ich glaube, das wird sozusagen „immer ein Loch füllen sein“. Das wollen die Hersteller ja auch. Sie möchten ja keine Überkapazitäten herstellen."
Zum Schluss ein Appell an die Kunden aus der embedded-Branche:
„Denkt bitte langfristig über euren Bedarf nach und meldet euch rechtzeitig!“
Sehen Sie das komplette VIP-Interview "Stromversorgungs-Trends" auf der embedded world 2024 von E. Hopf mit einigen Stromversorgungsspezialisten unter u.g. Link.
Autor
Geschäftsführender Gesellschafter
inpotron Schaltnetzteile GmbH
Hebelsteinstraße 5
78247 Hilzingen